Palästinakonflikt sorgt für Ärger in Zürich

Zwei propalästinensische Veranstaltungen mussten nach Interventionen israelfreundlicher Kreise abgesagt werden. An einer hätte eine Aktivistin auftreten sollen, die zum Mord an «Zionisten» aufruft. In der Kritik steht auch das Kulturzentrum Kosmos.

Simon Hehli
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Der Filmemacher Samir steht in der Kritik: Er soll in seinem Kulturzentrum Kosmos eine Kampagne gegen Israel fahren. (Archivbild: NZZ Fotografenteam)

Der Filmemacher Samir steht in der Kritik: Er soll in seinem Kulturzentrum Kosmos eine Kampagne gegen Israel fahren. (Archivbild: NZZ Fotografenteam)

Israel politisch, kulturell und wirtschaftlich zu isolieren: Das ist das Ziel der Kampagne BDS, die drei Buchstaben stehen für Boykott, Desinvestition und Sanktionen. Aktiv ist die antizionistische Bewegung auch in Zürich. Und hier sorgte sie kürzlich für einen Eklat. BDS-Vertreter mieteten für den 24. November im Gemeinschaftszentrum (GZ) Buchegg einen Raum – angeblich für eine private Geburtstagsfeier. Dass die Veranstaltung unter dem Motto «Freiheit für Palästina» eine klar antiisraelische Ausrichtung haben würde, machte hingegen der Flyer deutlich. Darauf ist neben dem Slogan «Stopp Apartheid» der Umriss des britischen Mandatsgebietes Palästina vor der Gründung des Staates Israel zu sehen. Als Unterstützer der Veranstaltung traten linksextreme Organisationen wie die Revolutionäre Jugend Zürich oder der Revolutionäre Aufbau in Erscheinung.

Das proisraelische Portal «Audiatur» klärte die Trägerschaft des GZ über die wahren Absichten der Veranstalter auf. Die gemeinnützige Stiftung reagierte sofort und stornierte die Reservierung. Es habe sich um eine «Täuschung unserer Mitarbeiter» gehandelt. Die Gemeinschaftszentren würden keine Räume für «öffentliche und einseitige politische» Veranstaltungen vermieten. Die radikalen Israelkritiker wichen daraufhin am vorletzten Freitag in das Gebäude des türkischen Vereins Mozaik an der Hardstrasse aus.

Dies ist nicht der einzige fragwürdige Vorfall der letzten Monate. Die Gesellschaft Schweiz-Palästina, präsidiert vom früheren grünen Nationalrat und Badener Stadtammann Geri Müller, wollte am 7. September an einer Veranstaltung im städtischen Zentrum Karl der Grosse Manal Tamimi auftreten lassen. Diese stammt aus einem palästinensischen Clan, der in seinem Kampf gegen Israel auch vor terroristischen Aktionen nicht zurückschreckt. Ihre Nichte ist Ahed Tamimi, die als Teenager zur Ikone des Widerstands verklärt worden ist, weil sie im Westjordanland einen israelischen Soldaten ins Gesicht schlug und danach mehrere Monate inhaftiert war.

«Zionistische Siedler töten»

Manal Tamimi ihrerseits macht kein Hehl aus ihrem Judenhass. «Ich wünsche mir, dass bald eine dritte Intifada kommt und die Menschen sich erheben und all diese zionistischen Siedler töten», schrieb sie einst auf Twitter. Die Israeli verglich sie mit Vampiren, die palästinensisches Blut trinken würden – ein uraltes antisemitisches Motiv. In Zürich wollte sie zum Thema «Wir leben unter Besatzung» sprechen. Auch in diesem Fall war es ein «Audiatur»-Autor, der bei den Verantwortlichen intervenierte. In der Antwort des städtischen Sozialdepartements, die der NZZ vorliegt, heisst es: «Wir werden die Veranstaltung nicht durchführen. Es entspricht unserer nachdrücklichen Haltung, dass wir bei Veranstaltungen im Karl der Grosse keinerlei rassistische, antisemitische oder gewaltverherrlichende Äusserungen dulden.»

Kalte Füsse bekamen auch die Verantwortlichen des Kulturzentrums Kosmos. Dort hätte «Frauenaktivistin» Tamimi drei Tage später an einem Podium teilnehmen sollen, doch die Debatte fand letztlich ohne sie statt. Einer der Initianten des Kosmos ist der Filmemacher Samir. Er posiert auf der Website von BDS Schweiz als Unterstützer des Boykotts von israelischen Produkten. In seinem Zentrum gibt es eine Reihe von Events mit israelkritischer Schlagseite. Im November widmete sich eine Veranstaltung dem Thema «Israelkritik=Antisemitismus?». Die Besetzung war auf den ersten Blick unverdächtig: Unter der Moderation von Samir tauschten sich die deutsch-israelische Sängerin Nirit Sommerfeld und Albert Herz, Mitglied der Israelitischen Cultusgemeinde Zürich, aus.

Doch laut dem jüdischen GLP-Gemeinderat Ronny Siev, der an jenem Abend im Kosmos war, hätten sich Samir und Sommerfeld gegenseitig in ihrer kritischen Haltung gegenüber Israel bestätigt, während Herz nicht richtig dagegenhalten habe. Samir habe Zuschauer abgekanzelt, die sich kritisch zur Übungsanlage geäussert hätten, sagt Siev. Einigen Leuten aus dem Publikum sei sogar das Mikrofon entzogen worden. «Samir verfolgt offensichtlich eine politische Agenda und lädt nur Leute ein, die seine einseitige Position gegenüber Israel teilen – das kann kein Zufall sein.» In dieses Bild passt für den Grünliberalen, dass am vergangenen Montagabend Ilan Pappé in der Reihe «Kosmopolitics» einen Vortrag hielt. Der umstrittene israelische Historiker vertritt die These, bei der Gründung Israels seien die Palästinenser Opfer ethnischer Säuberungen geworden.

Samir weist Kritik zurück

Die Journalistin Claudia Kühner hätte die Veranstaltung zu Israelkritik und Antisemitismus im November ursprünglich moderieren sollen. Sie nimmt Samir in Schutz: Er habe sich nach Kräften bemüht, ein ausgewogenes Podium zu organisieren, was wegen verschiedener Absagen von israelfreundlichen Exponenten jedoch nicht gelungen sei. Auch der Filmemacher selber weist die Kritik auf Anfrage der NZZ zurück. Er verurteile die Besatzungspolitik Israels und deren Menschenrechtsverletzungen. «Dass ich antiisraelisch sein soll, ist jedoch eine unredliche Unterstellung.»

Dagegen würden auch die Fakten sprechen, betont Samir. Er sei gegen einen kulturellen Boykott Israels. Als Beleg dafür führt er an, dass im Kino des Kosmos schon etliche israelische Filme gezeigt worden seien. Mit «Forget Baghdad» habe er einen seiner bekanntesten Dokumentarfilme in Israel gedreht. Und sein letzter Film «Iraqi Odyssey» sei am Filmfestival von Jerusalem gezeigt worden. Von den «diskriminierenden Eintragungen» von Manal Tamimi will er nichts gewusst haben. Das Kosmos sei darauf aufmerksam gemacht worden. «Daraufhin haben wir sie gebeten, nicht an der ‹Kosmopolitics›-Veranstaltung teilzunehmen.»

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